Wie man sich evolutionspsychologische Erkenntnisse am POS zu Nutze machen kann
von Verena Rester
Viele Studien und Arbeiten schreiben darüber, wie Kunden am Point-of-Sale handeln, auf was sie reagieren, wie sie geleitet werden, und vieles mehr. Doch welche Erkenntnisse sind evolutionsbedingt und wie kann man diese im Marketing oder speziell für die Ladengestaltung einsetzen?
Unter Evolution im biologischen Zusammenhang versteht man ganz allgemein die Entwicklung der Lebewesen durch Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Generation zu Generation. Die wohl bekannteste Evolutionstheorie ist die von Charles Darwin, der von der Theorie der Evolution durch natürliche Selektion ausgeht. 1859 veröffentlichte er sein wichtigstes Werk „On the Origin of Species“, das die Grundlage der modernen Evolutionstheorie bildet. Der Darwinismus wurde auch von Ansätzen wie dem von Herbert Spencer geprägt, der oft unter „Überleben des am besten Angepassten“ zusammengefasst wird. Der universelle Darwinismus geht weiter davon aus, dass bei Vorliegen von Evolutionsfaktoren das Konzept auch außerhalb der Biologie angewendet werden kann. Auf die Wirtschaft umgelegt könnte man den Darwinismus so verstehen, dass etablierte Branchen und Unternehmen sich nicht auf ihren bisherigen Stärken ausruhen sollten. Denn in der Evolution hat es immer Krisen gegeben, wobei Gattungen ausgestorben sind, daraus ist aber meist eine hohe neue Entstehungsrate gefolgt. Das heißt also, aus Krisen können auch für Unternehmen völlig neue Entwicklungen entstehen. Diese Erkenntnisse sollten daher auch bei der Gestaltung des Verkaufsraumes, bzw. bei dem Produktangebot beachtet werden. Als Beispiel kann der Kameramarkt genannt werden. Wer bei der Einführung der Digitalkameras nicht rechtzeitig reagiert hat und sich anpasste, wurde schnell von der Konkurrenz vom Markt verdrängt.
Etwa um 1973 wurde dann der Begriff der evolutionären Psychologie geprägt, die versucht das Verhalten des Menschen mit Erkenntnissen über die Evolution zu erklären. Hier spielen also die verschiedensten Evolutionstheorien, wie die von Darwin, eine wichtige Rolle. Welche Erkenntnisse können nun für die Ladengestaltung angewendet werden? Die evolutionäre Emotionsforschung könnte beispielsweise eine wichtige Rolle spielen. Um die Kunden im Verkaufsraum emotional zu aktivieren kann man sich emotionaler Reize bedienen, die bei den Kunden vorbestimmte biologische Reaktionen auslösen. Beispiele dafür wären das sogenannte Kindchenschema, welches man in Form von Bildern, Werbungen (Babys, Tierbabys) anwenden könnte. Erotische Reize und die Augen sind ebenfalls emotionale Reize die Kunden aktivieren und derer man sich bei der Ladengestaltung behelfen könnte. Nach Darwin ist das nonverbale Ausdrucksverhalten genetisch bedingt. Dies wurde oft kritisiert und versucht zu widerlegen, wie beispielsweise durch Paul Ekman. Jedoch fand er heraus, dass es sechs elementare Emotionen (Zorn, Abscheu, Trauer, Freude, Angst, Überraschung) mit universalem mimischen Ausdruck gibt. Von diesen evolutionär verankerten Emotionen muss man jedoch unterscheiden, dass die Fähigkeit die jeweiligen Gefühle bei anderen korrekt zu interpretieren und identifizieren von Mensch zu Mensch und insbesondere auch von Kultur zu Kultur unterschiedlich gut ausgeprägt ist. Die zentralste Aufgabe in der Ladengestaltung sollte es ja immer sein, für den Kunden eine angenehme, positive Atmosphäre zu schaffen. Mithilfe dieser emotionalen Gesichtsausdrücke kann also am einfachsten, schnellsten und effizientesten überprüft werden, ob dies erreicht wurde. Man kann sich also dieser nonverbalen Kommunikation insofern bedienen, als dass man die Kunden beim Betreten und Verweilen im Geschäft beobachtet und versucht die Mimiken und Gestiken richtig zu interpretieren.
Dass viele unbewusste Vorgänge beim Einkaufen auf uns wirken, wissen wir bereits seit langer Zeit. Der Psychologe Dr. Hans-Georg Häusel versucht anhand der drei sogenannten Limbischen Systeme die Kaufmotive zu erklären. Diese Motiv- und Emotionssysteme in unserem Gehirn sind: das Balance-System, das Dominanz-System und das Stimulanz-System. Ersteres lässt den Menschen nach Sicherheit, Ruhe und Harmonie streben und veranlasst uns so zum Kauf von beispielweise Versicherungen, Finanzprodukten und Liegenschaften. Der Wunsch nach Erlebnissen und Reizen wird im Stimulanz-System geweckt und so kommt es zum Kauf von zB. Reisen und Unterhaltungsprodukten. Im Dominanz-System geht es darum, die Konkurrenz auszustechen und die eigene Macht auszubauen. Ohne dieses System gäbe es – so Häusel – keine Autos, Flugzeuge oder keine Entwicklung im Allgemeinen. Daneben bestehen noch Submodule die ebenfalls Motive für bestimmte Käufe darstellen. Diese Submodule können auch durch einen evolutionären Hintergrund erklärt werden. Beispiele dafür wären die Bindung die Ihren Hintergrund im Sichern des Überlebens der Nachkommen hat und ein Kaufmotiv für Mitgliedschaften in Clubs oder Vereinen darstellt. Die Jagd, früher die Jagd nach Beute, stellt ebenfalls ein Submodul der Limbischen Systeme dar und kann heute in der Jagd nach Schnäppchen oder dem Kauf von Jagd- oder Sportprodukten wiedererkannt werden. Der Kauf von Modeartikeln, Geschenken und Statussymbolen könnte evolutionär durch die Fortpflanzung und Verdrängung von Konkurrenten bedingt sein. Ist man sich dieser menschlichen Emotionssysteme bewusst, könnte dies für die erfolgreiche Kundenansprache von großem Vorteil sein.
Literatur:
Kroeber-Riel W./Weinberg P. (2009): Konsumentenverhalten, Vahlen
Portmann C. (2007): Warum Kunden kaufen, in: Organisator – Das Magazin für KMU, Nr.6/07, S.8-10
Schäfer E. (2002): Nonverbale Kommunikation, URL: http://www.system2teach.de/hfg/re_ressources/1819/KMC_nonverb_Kommunikation%20%28Schaefer%29.pdf, Stand: 3. Juni 2010
o.V (2009): Wirtschaftskrise mit Erkenntnissen aus der Evolution meistern, URL: http://www.bgbm.org/bgbm/pr/archiv/pressreleases/2009_06_19_Darwin_meets_Business_Konferenz.pdf, Stand: 3.Juni 2010