Die ideale Gestaltung von Arztpraxen aus verkaufsraumorientierter Sicht
von Susanna Ender
Aufgrund fortschreitender Ökonomisierung des Medizinsektors ist ein deutlicher Wandel im Bezug auf die Arzt-Patient-Beziehung erkennbar. Der „Arzt von nebenan“ ist nicht länger der „allwissende Gott in Weiß“. Vielmehr ist er zu einem Dienstleistungsanbieter geworden, dessen Ordination vermehrt als Drehscheibe gezielter Raumgestaltungs- und Marketingstrategien fungiert.
Heutzutage erwartet der moderne Patient bei seinem Arztbesuch nicht bloß Expertise und Präzision des behandelnden Arztes, sondern ebenfalls einen Marketingauftritt per Excellence, wenn möglich gekonnt unterschwellig und unaufdringlich gestaltet. Aus marketingtechnischer Sicht ist die Einstellung des Patienten gegenüber der Arztpraxis durch eine Vielzahl von funktionalen, technischen und wirtschaftlichen Faktoren aber auch von diversen humanwissenschaftlichen und ästhetischen Determinanten beeinflusst.
Besonders der Trend der Kunstmedizin trifft heutzutage vermehrt auf fruchtbaren Boden. Hierbei wird analysiert in welchem Ausmaß akustische, visuelle und ästhetische Reize auf Patienten Einfluss nehmen, und inwieweit diese gezielt eingesetzt werden können, um auf das Wohlbefinden positiv einwirken zu können. Obwohl insbesondere im medizinischen Bereich künstlerische und designorientierte Ideen sich praxisspezifischen Planungs-, Organisations- und Hygienerichtlinien zu beugen haben, bedeutet dies in keinster Weise, dass Ästhetik und Funktionalität nicht sehr wohl in einem harmonischen Zusammenspiel stehen können.
Das primäre Ziel der Ordinationsgestaltung entspringt dem sogenannten CI-Gedanken (Corporate Identity). Hierbei gilt es die Arztpraxis so zu gestalten, dass diese als homogene, unverwechselbare und leicht wiedererkennbare Unternehmenspersönlichkeit wahrgenommen wird. In diesem Falle ist es möglich sich eines eigenen Praxislogos, einer Vereinheitlichung der Mitarbeiterkleidung und der Adaption der gesamten Kommunikationsmittel vor Ort zu bedienen. Fundamental ist es hierbei die CI-Arbeit gezielt auf einen vorab entwickelten Ablaufplan zu stützen.
Bei der aktiven Raumgestaltung sollte die folgende Phrase das oberste Gebot darstellen:
„You never get a second chance to make a first impression!”
Der erste Eindruck, den ein Patient/Kunde von der Arztpraxis erhält, wird bereits beim Betreten der Ordination entfacht. Alleine durch eine effiziente Gestaltung des Eingangsbereichs ist es möglich in nur wenigen Sekunden einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Der Eingangsbereich sollte daher möglichst einladend gestaltet sein und den Patienten freundlichst willkommen heißen.
Der zentrale Punkt der Ordination ist die Empfangstheke, welche den Mittelpunkt des gesamten Kommunikations-, Planungs- und Kontrollprozederes darstellt. Hier wird der Patient nicht einfach bloß aufgefangen – vielmehr steht er hier im absoluten Fokus der Aufmerksamkeit. Davon ausgehend ist es sinnvoll, in diesem Bereich einen sichtbaren Bezug nach draußen zu vermitteln und eine tageslichtähnliche Beleuchtung zu wählen. Im Rahmen einer angestrebten Ablaufoptimierung ist eine ringförmige um den Empfang angelegte Raumeinteilung von Nutzen.
Der Warteraum fungiert hingegen als temporärer Rückzugsraum für den Patienten. Durch eine gezielte Stimulation sämtlicher Sinnesorgane können hier Emotionen, wie etwa Vertrauen und Neugierde, stimuliert werden, und die wahrgenommene Wartezeit kürzer und vor allem angenehmer gestaltet werden. Dieser Bereich sollte, wenn möglich, von den umliegenden Behandlungsräumen getrennt werden. Wenn dies baulich nicht umsetzbar ist, können Glas- oder Lichtkulissen eine kostengünstige Alternative darstellen. Primäres Ziel bei der Warteraumgestaltung ist der Aufbau einer angenehmen Raumatmosphäre, welche leicht mittels Lichtspielen, wie etwa mit Erlebnislichtquellen und mit atmosphärischen Lichteffekten, geschaffen werden kann. Halogenleuchten an der Decke unterstützen zusätzlich die Orientierung des Patienten.
Die umliegenden Räumlichkeiten sollten harmonisch miteinander in Verbindung stehen. So ist es möglich Beengung oder Desorientierung beim Patienten vorzubeugen. In den Behandlungsräumen ist es ratsam vermehrt mit weichem, hellem aber nicht blendenden Licht zu arbeiten. Im Sprechzimmer indessen ist es sinnvoll auf aufdringliche Beleuchtung zu verzichten, um bewusst von einer sterilen Atmosphäre abzulenken.
Neben der Raumaufteilung und der Lichtbeschaffenheit, ist es möglich den Patienten zusätzlich auf auditiver, olfaktorischer und kinästhetischer Ebene anzusprechen. All dies kann mit Hilfe von Materialen, Farbe, Akustik, Haptik und Düften vor Ort realisiert werden.
Bei der Materialauswahl des Bodenbelages und des Interieurs empfiehlt es sich auf natürliche Materialien, wie etwa Holz, Kupfer, Glas und Gips zurückzugreifen. Besonders die moderne Verschmelzung von Glas und Licht kommuniziert Werte, wie Offenheit, Klarheit und Transparenz. Satinierte Glasflächen hingegen vermitteln Intimität und Vertrautheit.
Auch die Musik ist ein höchst wirksames Kommunikationsmittel in der Arztpraxis, da es das gesamte vegetative Nervensystem und körpereigene Selbstbelohnungssystem aktivieren kann. In Folge ist es möglich Empfindungen, wie Angst und Stress sowie Schmerzempfinden zu reduzieren und den Heilungsverlauf zu unterstützen.
Weiters ist es sinnvoll bei der Farbwahl wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse der Farbenlehre in Betracht zu ziehen. In den meisten Fällen wird die Farbe Weiß in Arztpraxen aus hygienischen Gründen bevorzugt, da die „Nichtfarbe“ Assoziationen, wie etwa Reinheit, Klarheit, Vollkommenheit, Sauberkeit und Heilung reproduziert. Weiß trägt allerdings ebenfalls zu einer kühlen Raumatmosphäre bei. Daher ist es ratsam wärmere Farbnuancen zu bedenken, welche eine positive und stimulierend auf den Patienten einwirken. Mit Hilfe von differenzierten Lichteffekten ist es unterstützend möglich Assoziationen, wie Abwechslung und Dynamik, zu suggerieren. In der Medizin sind die Farben Gelb, Blau und Grün ebenfalls sehr gefragt. Gelb und Blau haben beide eine belebende als auch beruhigende Wirkung. Die Farbe Blau spiegelt Stabilität, Konzentration, Zuverlässigkeit und Vertrauen wider. Gelb hingegen symbolisiert Offenheit und Lebensfreude. Grün wird letztlich Heilkraft zugesprochen und kommuniziert Beständigkeit, Harmonie und Zufriedenheit.
Zu allerletzt sei auf die Wirkung von Farben im Bereich der Praxiskleidung hingewiesen. Corporate Fashion spiegelt die allgemeine CI auch optisch wider. Hierbei haben Hygienerichtlinien und Funktionalität selbstverständlich oberste Priorität. Die beliebteste Textilfarbe in Arztpraxen ist Weiß. In der Intensivmedizin hingegen greift man zumeist auf Orange- und Grüntöne zurück. Wie bereits erwähnt steht die Farbe Weiß primär für Sauberkeit und Gesundheit. Da diese Farbe allerdings ebenfalls Distanz, Kälte und Unnahbarkeit signalisiert, ist es manchmal sinnvoll mit wärmeren Farbtönen zu spielen.
Eine weitere Möglichkeit auf den Patienten positiv einzuwirken besteht in der aktiven Raumbeduftung. In Krankenhäusern und Arztpraxen werden ätherische Öle täglich eingesetzt. Mit ihrer Hilfe ist es möglich den unangenehmen Klinik- und Desinfektionsgeruch zu reduzieren. Weiters wirken ätherische Öle nicht bloß positiv auf das Wohlbefinden, sondern bewirken ebenfalls eine Luftdesinfektion und in Folge eine mögliche Reduzierung bestehender pathogener Keime.
Literatur:
Börkircher, H. und Nemec S. (2005). Zahnarztpraxis als Marke2: Von No-name zur Markenpraxis, Deutscher Zahnärzte-Verlag.
Österreichisches Netzwerk gesundheitsfördernder Krankenhäuser (2005). Beiträge zur gesundheitsfördernden Patient/innen/enorientierung – Das Krankenhaus als Partner für gesunde Regionen: Integrierte Versorgung, nachhaltiges Umweltmanagement, Allianzen für Gesundheit, Virtuelle Publikation zur 9. Österreichischen Konferenz Gesundheitsfördernder Krankenhäuser, unter: hhtp://www.oengk.net/downloads/PatientInnenorientierung.pdf, (20/05/10).
Schricker, R. (2000). Einrichtung einer Arztpraxis: Gestaltung als Therapie. Deutsches Ärzteblatt, 97/40/8.
Thill, K.D. (2002). Professionelles Management: von der Arztpraxis zum Dienstleistungsunternehmen in 21 Schritten, Deutscher Ärzte-Verlag.
Wurglits, E.T. (2008). Die Verwendung von Aromastoffen im (erweiterten) öffentlichen Raum, Diplomarbeit an der Universität Wien – Fakultät für Lebenswissenschaften.