Das taktile Bedürfnis – Die Wirkung der Produktberührung und taktilen Ladengestaltung
Von Monika Schak
Der Drang Dinge anzufassen, zu untersuchen und zu „begreifen“ ist tief in uns verankert. Das Produkt selbst, die Verpackung und der Einsatz verschiedener Materialien bei der Gestaltung des Verkaufsraumes, dies alles bietet Möglichkeiten das taktile Bedürfnis der Kunden zu befriedigen. Nach dem Auge, ist die Hand der erste Sensor um ein Objekt zu erkunden, ist das taktile Erlebnis unvorteilhaft, wird das attraktivste Objekt nicht die gewünschte Aufmerksamkeit erhalten und nicht gekauft werden. Die Vorliebe die Waren anzufassen und zu testen, stellt gleichzeitig einen bedeutenden Vorteil des stationären Handels im Vergleich zu den konkurrierenden Online-Shops dar.
Über die Haptik können Formen, das Gewicht, die Textur, Temperatur, Konsistenz und Funktionen von Produkten oder Teilen der Umwelt wahrgenommen werden. Durch diese gewonnenen Informationen wird es möglich das Objekt zu verstehen und zu „begreifen“. Während Haptik die Lehre des Tastens und Greifens ist, ist taktile Wahrnehmung als die passive Wahrnehmung mechanischer Eindrücke, als Teil des Tastsinnes, definiert. Haptische Wahrnehmung auf der anderen Seite beinhaltet somit die aktive Erkundungstätigkeit wie z.B. Umfassen der Konturen, Drücken etc.
Der Tastsinn ist von großer Bedeutung so scheint der Mensch ein gewisses Urbedürfnis zu haben, Dinge anfassen zu wollen. Schon die Entwicklung von Kindern im Säuglingsalter hängt beträchtlich mit der Anzahl und Intensität der Berührungen zusammen. Der Tastsinn ist der erste Sinn der sich bei Kleinkindern entwickelt. Zusätzlich können durch den Tastsinn Informationen transportiert werden die nur schwer durch formale Sprache übermittelt werden könnten. Aus diesem Grund, nimmt dessen Einsatz im Marketing zu, um sich die Vorteile nutzbar zu machen.
Nicht nur die Gestaltung der Produkte selbst auch durch die Verkaufsraumgestaltung können taktile Reize angesprochen werden. Die Ware ist so zu präsentieren, dass der Kunde die Möglichkeit hat diese zu berühren. Ein Beispiel dafür stellen unter anderem Wühltische dar, die zum Stöbern anregen sollen. Die Gestaltung des Ladens sollte den Kontakt zwischen Kunde und Ware ermöglichen und fördern, auch das Verkaufspersonal sollte dahingehend einwirken, den Kunden zu Produktkontakten anzuregen anstatt ihn daran zu hindern. Ein Beispiel für eine Hinderung durch den Verkäufer ist das Aufräumen der Verkaufsfläche und der Produkte bei Anwesenheit des Kunden. Daher sollte im Textilhandel die Ware erst wieder zusammengelegt werden, wenn der Kunde außer Sichtweite ist um diesen nicht zu hemmen und abzulenken. Die Freude am Ausprobieren und Anfassen ist zu unterstützen.
Bei der Verkaufsraumgestaltung nach dem Selbstbedienungskonzept ist diese Feststellung zu beachten. Während hochpreisige Produkte in Vitrinen, hinter Glas präsentiert werden, um so das Verlangen nach Berührung zu steigern, sind günstigere Produkte meist direkt zugänglich und befühlbar. Durch die Exklusivität und den entstehenden Wunsch nach der Produktberührung, steigt die Kaufwahrscheinlichkeit deutlich wenn das Produkt wie zum Beispiel Schmuck dann tatsächlich gefühlt oder angelegt wird. Hervorzuheben ist, dass die Wahrscheinlichkeit für den Kauf eines teureren Produktes, mit der Möglichkeit dieses anzufassen und auszuprobieren steigt, während bei einem Mangel des Vergleiches durch den Produktkontakt das billigere Produkt bevorzugt wird.
Der Kontakt durch die direkte Produktberührung ist oft der entscheidende Auslöser eines Besitzwunsches. Durch die Möglichkeit eines direkten haptischen Produktkontakts am Point of Sale kann die Einschätzung bzgl. der Qualität und des Preises aus Sicht des Konsumenten beeinflusst werden. Wie sich ein Produkt anfühlt kann beeinflussen ob der Kunde das Produkt kauft oder nicht. Beispielsweise kann ein teures Schmuckstück oder eine Uhr visuell ansprechend sein, aber die finale Kaufentscheidung wird meist erst getroffen nachdem das Objekt in die Hand genommen wurde. Demzufolge wird das Produkt nicht gekauft wenn es sich nicht so anfühlt wie es der Kunde erwartet bevor er es in den Händen hält. Ein teures Schmuckstück sollte schwer sein und das Metall oder der Stein wird berührt und sollte einen soliden Eindruck machen. Von besonderer Wichtigkeit ist der Tastsinn bei Produkten die in engen Kontakt mit der Haut kommen wie zum Beispiel Kleidung, Bettwäsche und Schuhe.
Im Verkaufsraum können haptische Verkaufshilfen dazu beitragen den Nutzen erlebbar zu machen. Durch die Haptik werden folgende Ziele erreicht: Erklärung, Verankerung, Strukturierung des Verkaufsgesprächs, Erhöhung der Kaufbereitschaft. Der Tastsinn spielt im Verkauf eine bedeutende Rolle, da er auch als Bestätigungssinn gilt, d.h. was gefühlt bzw. erlebt wird ist gleichzusetzen mit der subjektiven Wahrheit. Das haptische Erleben wird zur Beschleunigung der Kaufentscheidung u. a. im Textilbereich und beim Autokauf eingesetzt. Ergebnisse einer Studie der Ohio State Universität belegen einen Zusammenhang zwischen der Berührungsdauer und der Wertschätzung eines Produktes. Hier wurden zwei Testgruppen eine Kaffeetasse präsentiert und für eine Dauer von 10 Sekunden bzw. 30 Sekunden in die Hand gegeben. Der Preis der Tasse wurde beiden Gruppen genannt und danach fand eine Auktion zur Versteigerung der Tasse statt. Die Gebote der Gruppe der Testpersonen welche die Tasse für 30 Sekunden in den Händen hielt lagen im Durchschnitt deutlich über der Testgruppe mit der kürzeren Berührungsdauer. Mehr als die Hälfte bot sogar einen Betrag der über dem tatsächlichen Verkaufspreis der Tasse lag. Aus psychologischer Sicht kann dieses Ergebnis dadurch erklärt werden, dass durch das Berühren und in die Hand nehmen eine gefühlte Inbesitznahme stattfindet. Der Wert eines Gegenstands steigt, je länger der Kunde ihn in der Hand hält, dies ist bei der Gestaltung von Verkaufsprozessen von Bedeutung. Hier sollte dem Kunden möglichst lange Kontakt zum Produkt ermöglicht werden damit dieser konkrete Erfahrung sammelt.
Herausforderungen für viele Unternehmen stellt der Wandel der demographischen Merkmale der Bevölkerung dar. Der Anteil der über 60 Jährigen an der Gesamtbevölkerung nimmt zu, das Problem besteht dahingehend, dass die Sinne älterer Personen schwächer werden. Die visuelle und arkustische Sensibilität nimmt stark ab, hierfür könne Hilfsmittel wie Brillen und Hörgeräte Abhilfe schaffen. Ist jedoch der taktile, olfaktorische oder gustatorische Sinn beeinträchtigt, bestehen kaum Möglichkeiten dies auszugleichen. Zu beachten ist, dass die „taktile Sehschärfe“ d.h. die Fähigkeit einer Person zwei Stimuli als getrennt voneinander zu unterscheiden, linear mit zunehmendem Alter abnimmt, d.h. je älter eine Person ist, desto größer muss der Unterschied zwischen zwei Stimuli auf der Haut fühlbar sein, um als getrennt wahrgenommen zu werden.
Weil das Berühren und das Greifen nach Produkten eine solch entscheidende Bedeutung auf den Kauf hat, sollte dafür gesorgt werden dass der Kunde die Hände frei hat. Bereits am Eingang sollten Einkaufswägen oder Einkaufskörbe angeboten werden und zusätzlich an weiteren strategisch bedeutsamen Orten. So kann eine Person beim Betreten des Ladens der Ansicht sein keines dieser Hilfsmittel zu benötigen, da nur wenige Dinge gekauft werden. Beim Durchschreiten des Ladens fallen jedoch zusätzliche Artikel ins Auge die der Kunde noch mitnehmen möchte, jedoch wird in einer Hand die Handtasche oder Jacke getragen und in der anderen ein bereits ausgewähltes Produkt. Nachdem der Kunde keinen Balanceakt vollziehen möchte und auch nicht zum Eingang zurück kehren möchte um einen Einkaufskorb zu holen, verwirft er den Gedanken an das zusätzliche Produkt und geht weiter zum Kassenbereich. Hier wäre es sinnvoll Einkaufskörbe in der Nähe zu platzieren, da sonst die Gefahr besteht, dass weniger Impulskäufe oder ungeplanten Käufe getätigt werden.
Folgender widersprüchliche Umstand ist zu berücksichtigen. Wie schon erwähnt bevorzugen Konsumenten Läden, welche die Möglichkeit der direkten Produktberührung bieten. Im Gegensatz dazu werden jedoch ungern Waren gekauft welche vermutlich von vielen anderen Personen berührt wurde.
Literatur:
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http://www.brainguide.de/upload/publication/3a/hjlb/c3f74a0e4927cb0d3679f5f9aaf85d41_1311535749.pdf Aufgerufen am 17. Mai 2015